Das Autoren-Zimmer oder: Wie schreibt man eine Geschichte?

Schreiben ist keine einfache Angelegenheit. Es gibt diese Tage, an denen möchte das Gehirn einfach keine passenden – geschweige denn kreativen – Worte ausspucken. Das leere Dokument auf dem Bildschirm leuchtet rein weiß und schreit förmlich danach, beschrieben zu werden. Es beginnt schon bei der Überschrift. Soll sie einen poetisch anmutenden Klang annehmen? Soll sie einfach nur der Wahrheit entsprechen? Der Titel entscheidet darüber, ob der Leser weiterlesen möchte. Innerhalb weniger Sekunden entscheidet dieser darüber, ob der Titel auf genügend Spannung schließen lässt. Ist diese bedeutungsschwere Entscheidung erst einmal getroffen, geht die Suche nach den passenden Worten weiter. Es folgt der Versuch des Niederschreibens der wirren Gedanken; der Versuch, die Gedanken zu einem Geflecht aus nachvollziehbaren Ausdrücken zu verbinden. An schlechten Tagen funktioniert das nicht. Doch es ist nicht nur die Tagesform, welche die Kreativität beeinflusst. Es ist auch die Umgebung. Manche Autoren schreiben ihre Bestseller, wenn sie mitten unter Menschen sind. Im Zug oder in einem Café lassen sie sich zu dramatischen Geschichten inspirieren. Andere Autoren bevorzugen die Einsamkeit, abseits jeglicher menschlicher Einflüsse. Ich zähle zur letzteren Kategorie. In völliger Abgeschiedenheit sprudeln die Ideen nur so aus mir heraus. Sobald sich auch nur eine Störquelle offenbart, ist der Gedankenfluss unterbrochen und die Kreativität dahin.

 

Ein einsames Autoren-Zimmer ist also die Quelle guter Geschichten. In diesem Zimmer steht ein knarriger Holztisch vor einem kleinen Fenster mit Blick in den Wald. Vor dem Tisch steht ein sesselartiger Stuhl, ebenfalls aus dunklem Holz gefertigt, mit einer vertieften Sitzfläche, zwei Armlehnen und grünen Polstern. Eine Kaffeemaschine steht auf einem kleinen weißen Regal, dass vollgestopft ist mit Büchern. Für Licht sorgt eine kleine Nachttischlampe, die einen warmen Lichtschein über den Tisch wirft. Ein flauschiger Teppich liegt auf den Holzbohlen, damit sich die Füße angenehm warm anfühlen. Sonst braucht es nichts weiter in einem Autoren-Zimmer, in meinem Autoren-Zimmer.

 

Dieses Zimmer existiert bisher nur in meiner Phantasie, denn momentan stehen in unserem Haus andere Dinge im Vordergrund. Und deshalb nutze ich zum Schreiben ein Ausweich-Autoren-Zimmer, dass sich nun über eine neue Couchgarnitur inklusive Sessel erfreuen darf. Genaugenommen ist das Mobiliar nicht neu, denn es hat bereits eine Vergangenheit. Wir entdeckten diese zwei Möbelstücke in einem Secondhandshop in Norsjö. Die Garnitur stand im Knut’n und wir verliebten uns sofort in den tief braunen Stoff mit den schwarzen floralen Mustern. Sie war wie gemacht für unser Wohnzimmer und der Preis überzeugte uns zu einem Kauf.

 

Und hier steht sie nun und empfängt uns jeden Abend zu gemütlichen Entspannungsrunden. Für wenig Geld haben wir einem gebrauchten Gegenstand ein neues Leben geschenkt. Dieses neue Leben besteht nun daraus, zu inspirieren. Auf diese Weise ist unser Wohnzimmer zu meinem vorläufigen Autoren-Zimmer geworden. Ich blicke von diesem herrlich gemütlichen Sessel nach draußen in den Wald. Die Fensterbank wird geschmückt von einem herbstlichen Blumenstrauß und einer alten Kerze, die schon längst auf dem Müll landen sollte. Doch auch ihr wurde ein neues Leben geschenkt. Vor mir liegt ein Teppich, der meine Füße vor der Kälte abschirmt und neben mir steht auf einem improvisierten Tisch aus alten Bücher ein Glas Wein. Denn auch der Alkohol soll den ein oder anderen Autoren zu perfektem Stoff für einen Bestseller inspiriert haben.

 

Und wer weiß, ob dieser alte Sessel mir nicht doch noch etwas von seiner Vergangenheit überliefern wird. Vielleicht schreibe ich eine Geschichte mit wahren Anlehnungen, inspiriert durch diesen Sessel. Es wird für immer ein Geheimnis bleiben, aus welcher Quelle meine Gedanken stammen und ob sie wahren Begebenheiten entsprechen. Und genau das ist es, was eine gute Geschichte ausmacht: Der schmale Grat zwischen Wahrheit und Fiktion.

 

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Inspiration | © Christine Riel

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