Schon zu Kindeszeiten wurden wir vor giftigen Früchten gewarnt. Uns wurde eingetrichtert, dass nicht alles essbar ist, was rot leuchtet, verführerisch duftet oder süß schmeckt. Heute wissen wir, dass viele Warnungen nicht ganz der Wahrheit entsprechen.
Das beste Beispiel sind die Vogelbeeren, von dessen Genuss wir immer durch die warnenden Worte unserer Eltern abgehalten wurden. Diese fürsorglichen Empfehlungen dürften die skandinavischen Kinder nicht kennen, denn hier werden Vogelbeeren in verschiedenen Formen verspeist.
Der Speiseplan der Natur ist gleichwohl delikat und vernichtend. Es gibt eine Reihe von Pflanzen, Pilzen und Beeren, die giftig sind. Doch giftig ist immer relativ zu sehen. Die klassische Unterscheidung zwischen giftig und ungiftig ist viel zu schwammig, denn zwischen diesen beiden Kategorien gibt es viele Abstufungen und nicht alles, was giftig ist, bringt uns um. Ein weiterer Aspekt, der oft in Vergessenheit gerät, ist die Dosis. Denn viele Beeren wirken sich erst in großen Mengen negativ auf den Organismus aus. In kleinen Mengen genossen sind sie völlig harmlos. Die Art der Zubereitung hat große Auswirkungen auf die Giftigkeit. Richtig zubereitet, sind viele Schadstoffe unschädlich gemacht oder gar nicht mehr vorhanden. Aber natürlich ist auch das in Abhängigkeit der jeweiligen Art und den Empfindlichkeiten des Genießers zu sehen.
Wir begeben uns erneut auf Nahrungssuche in den Wald und finden Birkenreizker. Nicht umsonst tragen diese Pilze ihren markanten Namen, denn sie besitzen eine milchige Substanz, die extrem scharfe Stoffe enthält. Diese Scharfstoffe begründen seine Giftigkeit. Ein Genuss führt zu Magen-Darm-Beschwerden, Organschäden oder Koordinationsproblemen. Dennoch ist diese Giftigkeit eher mittelmäßig einzustufen, denn ein Verzehr endet nicht tödlich. Und trotzdem wird dieser Pilz in Skandinavien und Russland gegessen. Das ist durch die richtige Zubereitungsmethode möglich, die sehr zeitaufwändig ist.
Reizende Reizker
Die Zubereitung beginnt mit dem Wässern.Wir lassen die Pilze für einige Stunden im Wasser stehen. Nachdem die Lamellen durch Messerschnitte verletzt wurden, sondert der Pilz seine scharfe Milch ab. Durch das Wässern, was wir mehrmals wiederholen, wäscht sich die Milch nach und nach aus. Anschließend lassen wir die Pilze für etwa eine halbe Stunde kochen und gießen das Wasser ab. Um sicherzugehen, dass sämtliche Bitter- und Scharfstoffe entfernt werden, kann der Kochvorgang mehrmals wiederholt werden. Nach dem Kochen bestreuen wir die Pilze mit einem Esslöffel Zucker und einem Esslöffel Salz und gießen das Ganze mit saurer Milch auf (filmjölk), bis die Pilze vollständig von der Flüssigkeit bedeckt sind. Es ist wichtig, dass die Pilze nicht in Kontakt mit der Luft kommen. Wir legen ein Geschirrtuch über den Topf und beschweren es mit einer Schüssel, die etwas kleiner als der Topf ist. In den Topf kommt ein Stein, damit die Pilze auf den Boden gedrückt werden. Stein und Tuch sollten vorher in kochendes Wasser gelegt und dadurch sterilisiert werden. Wir stellen den Topf in den Kühlschrank und schauen uns den Prozess alle vier bis fünf Tage an. Bei dieser Gelegenheit kochen wir Tuch und Stein erneut ab, denn im Kühlschrank tummeln sich jede Menge Bakterien, die den Brei verderben könnten. Wir haben festgestellt, dass das Geschirrtuch viel Flüssigkeit heraussaugt. Ein Teller unter dem Topf hat die Milch aufgefangen und Sauereien im Kühlschrank vermieden. Das bedeutet natürlich, dass die Milch im Topf wieder aufgegossen werden muss. Was wir hiermit bewirkt haben, ist eine Fermentierung. Die Gärung ist nach etwa acht bis zehn Tagen abgeschlossen. Dann sind die Pilze (auch roh!) essbar. Durch die saure Milch haben sie einen säuerlichen Geschmack angenommen, der nicht jedermanns Sache ist. Wir braten die Pilze an, bis sie eine knusprige Kruste bekommen. Ein cremig-soßiges Gericht ist ein delikater Kontrast zu dieser Speise. Wir empfehlen:
Brennende Gnocchi in einem Käsetraum
Für die Gnochhi lassen wir Kartoffeln weich kochen, die wir anschließend zu einem feinen Brei zerstampfen. In unseren Vorräten haben wir ein Glas mit eingekochten Brennnesseln aus dem Sommer gefunden. Davon geben wir drei bis vier Teelöffel zum Kartoffelbrei und zerstampfen das Gemisch nochmals. Salz und Pfeffer geben dem Mus mehr Pepp. Nun kommt so viel Mehl zum Brei, bis daraus ein knetbarer Teig entsteht. Aus dem Teig formen wir kleine Gnocchi, die anschließend für etwa zehn Minuten in ein Bad mit kochend heißem Wasser dürfen. Wenn sie an der Wasseroberfläche schwimmen, sind sie fertig.
Für unsere Käsesoße erhitzen wir Kokosmilch auf dem Holzofen. Ein Käse nach Wahl wird klein geraspelt und langsam unter die kochende Milch gerührt, bis er sich aufgelöst hat. Das funktioniert nicht mit jedem Käse gut. Unser Storsjö-Käse, der in seiner Konsistenz an den deutschen Tillsiter erinnert, hat keine guten Schmelzeigenschaften. Die Soße würzen wir mit Schnittlauch, Petersilie, Salz und Pfeffer. Eine Prise Zucker darf nicht fehlen. Nach Belieben kann die Soße mit einem Schuss weißen Balsamico-Essig verfeinert werden. Das sorgt für eine deftige Note. Wenn die Soße noch zu flüssig ist, kann sie mit einer Mehlsuspension (= Lösung aus Wasser und Mehl) eingedickt werden.
Speisenzerlegung
| © Johannes HansenBrennnessel-Gnocch
| © Christine Riel
Entstanden ist ein kontrastreiches Gericht mit vielfältigen Geschmacksnuancen. Wer sich nicht an die Zubereitung der Birkenreizker herantraut, dem sei empfohlen, eine leckere Pilzpfanne aus den ihm bekannten Speisepilzen zu kreieren. Wer sich genau wie wir als experimentierfreudig erweist und sich für die reizenden Reizker entscheidet, der tut dies auf eigene Gefahr. Es gibt eine informative Artbeschreibung über den Birkenreizker im Pilzforum, von der wir auch die Inspiration zur Zubereitung bekommen haben.
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