Der zweite Tag unserer Reise auf dem Inlandsweg von Nord nach Süd beginnt. Endlich müssen wir nicht mehr bangen, ob wir die Tagesetappe heil überstehen. Wir genießen die Fahrt in vollen Zügen und gehen Suppenkiefern und Seeungeheuern auf die Spur.
Von Hoting über Kårgärde und Hackås nach Sandsjön
Guten Morgen! Die Nacht war wenig erholsam, denn immer wieder ertönten Motorengeräusche der benachbarten LKW, die gegen die nächtlichen Minusgrade kämpften. Die Kälte bereitete uns keine Probleme – ein Hoch auf die Standheizung, die Wintercamping selbst mit einem 30 Jahre alten Wohnmobil möglich macht. Der Tag beginnt mit einer ausgiebigen Dusche. Wer den 100 Meter langen Weg von der Basis zur Dusche über die spiegelglatte Fläche ohne Verletzungen bewältigt hat, darf sich über ein schmackhaftes Frühstück freuen. Der Tisch ist prall gefüllt mit schwedischen und deutschen Leckereien. Vom frisch gebackenen Brot über Kaviar bis zum Blauschimmelkäse und Sanddornhonig fehlt es an nichts. Ein wenig Luxus muss eben auch sein.

Nach dieser Stärkung wird noch ein Kaffee für die Fahrt vorbereitet und dann geht die Reise auf dem Inlandsvägen schon weiter. Viel zu kurz war unser Besuch in Hoting, denn der unscheinbare Ort hat einige interessante Schätze zu bieten. Für Interessierte vergangener Zeiten gibt es in dem Verkehrsknotenpunkt zwischen Dorotea und Strömsund einiges zu entdecken.

Sehenswert in Hoting:
- Gräberfeld mit Fallgruben aus der Vikingerzeit auf dem Wallberg Långön (Vikingatida gravfältet på Långön)
- Oldtimer Museum Hoting (Ivars bilmuseum Hoting)
- Altertümliches Museum Hoting (Hoting Forntid) mit dem berühmten „Hotingski“ (Hotingskidan)
- vom Museum auf einem rollstuhlgerechten Wanderweg durch Knortmon zum nachgebauten Wikingerhaus (Fornminnesområdet Knortmon)

Immerhin werden die Straßenverhältnisse nun besser. Wir können mit fast normalen Geschwindigkeiten auf der E45 fahren. Sogar die Sonne lässt sich heute blicken. Am Horizont zeichnen sich die schneebedeckten Gipfel des Österfjällen ab, das sich westlich von Östersund in die Höhe schiebt. Immer wieder verfängt sich mein Gefährt in den Windböen und ich muss mich festhalten, um nicht umzukippen.

Da wir gestern nicht so weit vorangekommen sind wie erwartet, fahren wir heute ohne größere Pausen durch bis nach Kårgärde. Der kleine Ort liegt am Sannsundet, einem Seitenarm des Sees Storsjön. Seit dem 16. Jahrhundert gelangten Reisende per Boot über den Seitenarm. Als im Jahre 1771 zwölf Menschen bei einer Überfahrt ertranken, wurde die Fährstrecke verlegt. 1981 wurde an dieser Stelle die Sannsundsbron eingeweiht, die damals drittlängste Brücke des Landes.

Das einzige, was an dieser Stelle noch an die Vergangenheit erinnert, ist eine abgestorbene Kiefer am Straßenrand. Genauer genommen sind es sogar zwei Bäume Sie sind das Wahrzeichen für Handelsreisende einer längst vergangenen Zeit. Im Schwedischen gibt es sogar einen Namen für diese Art von Kiefern: suptall, was so viel wie Suppenkiefer bedeutet. Die Bäume dienten einst als Wegmarkierung. Reisende konnten sich unter den Bäumen niederlassen und rasten. Sie nahmen gerne Suppen zu sich, während sich ihre Pferde ausruhen konnten. Der Wiedererkennungswert der Suppenkiefern war von großer Bedeutung, damit Wanderer und Reisende die Wegmarkierungen stets wiederfanden. Daher wurden nur besonders eigenwillig geformte und alleinstehende Exemplare auserkoren. Noch heute sticht die Suppenkiefer deutlich aus der Landschaft hervor und markiert den Weg.

Wir steigen ein und fahren einige Kilometer direkt am Ufer des Storsjön bis nach Hackås. Schon der Ortsname deutet auf die unglaubliche Schönheit der Umgebung hin: Er setzt sich aus den Wörtern haka (=herausragende Landpartie) und ås (=Höhenzug) zusammen. Wir können uns lebhaft vorstellen, wie die Menschen seit jeher am Ufer des Sees standen und den Blick in die Ferne schweifen ließen. Das taten hier wohl sehr viele, denn alle wollten einem mysteriösen Wesen auf die Spur kommen. Im Storsjön soll ein Ungeheuer leben, dessen Körper einer Schlange mit Buckeln ähnelt und dessen Kopf wie der einer Katze aussieht. Beobachtungen gehen auf das 18. Jahrhundert zurück. Sie wurden überwiegend während der sogenannten Hundstage gemacht, der heißesten Zeit des Sommers zwischen 23. Juli und 23. August.

Seit 1986 steht das mysteriöse Wesen sogar unter Naturschutz. Die jämtländische Regierung hat einen Paragraphen aufgesetzt. Dieser verbietet es, lebende Tiere des Storsjöodjuret zu töten, schädigen oder zu fangen und Eier, Rogen oder Lebensräume zu entfernen oder zu schädigen.

Noch heute fasziniert das Storsjöodjuret (=Ungeheuer des Storsjön) die Menschheit. Seit 2008 gibt es ein EU-finanziertes Projekt zur Erforschung des Ungeheuers. Vier Webcams und eine Wärmebildkamera zeichnen Aktivitäten auf dem See auf. Der Projektgruppe soll es sogar gelungen sein, verschwommene Unterwasserbilder festzuhalten. Ihren Beweis gibt es bei Youtube. Immer mehr Schaulustige kommen in die Region, um sich selbst auf die Jagd nach dem Wesen zu machen. Wir haben das Tier leider nicht gesehen und deswegen geht es weiter zum Rastplatz Sandsjön in die wohlverdiente Nachtruhe.
Sehenswertes in und um Hackås:
- Mittelalterliche Kirche mit hölzernem Glockenturm (Hackås medeltida kyrka)
- Magische Quelle an der Kirche mit dem eisenzeitlichen Gräberfeld von Sanne (Trefaltighetskälla Hackås kyrka och Sanne gravfält)
- Runenstein von Frösö, der mit dem Storsjöodjuret in Verbindung gebracht wird (Frösöstenen)
In Teil 3: Vom Rastplatz Sandsjön über Vansbro und Rämmen nach Mariestad