Unterwegs auf dem Inlandsvägen – Teil 3

Es wird zunehmend wärmer. Vom Schnee, der den Norden beherrscht, ist fast keine Spur mehr. Das erleichtert uns das Vorankommen ungemein, sodass wir die wertvolle Zeit mit Erkundungstouren verbringen können. Heute begegnen wir Waldfinnen und einem der bedeutendsten schwedischen Dichter.

Von Sandsjön über Vansbro und Rämmen nach Mariestad

Die Dörfer, die am Inlandsvägen zwischen Sveg und Orsa liegen, können an einer Hand abgezählt werden. Auf der Strecke von knapp 130 Kilometer erstreckt sich ein riesiges Waldgebiet. Mittendrin liegt der idyllische Rastplatz Sandsjön, der zu den schönsten Rastplätzen am Inlandsvägen gehört. In dieser Idylle sollte ein erholsamer Schlaf garantiert sein, doch diese Nacht verläuft alles andere als entspannt.

Riesige Rauchschwaden steigen in den Himmel empor und in der Luft verbreitet sich der stechende Geruch von Nadelholz, das in Flammen steht. Das Feuer frisst sich innerhalb weniger Minuten von der Krautschicht bis zu den Baumwipfeln, bis die Stämme schließlich ihrer eigenen Last zum Opfer fallen und in sich zusammensacken wie ein Kartenhaus im Wind.

Mystische Atmosphäre in den Wäldern zwischen Sveg und Orsa | © Johannes Hansen

Als ein heftiger Sturm die Schlafkabine durchrüttelt, wache ich auf und merke, dass alles nur ein Traum war. Der Blick aus dem Dachfenster über mir lässt nichts Gutes verheißen. Die mächtigen Baumkronen schaukeln im Wind hin und her. Ich hoffe, dass das Holz den starken Verformungen standhält und wir unversehrt am nächsten Morgen aufwachen.

Vögel zwitschern und die ersten Sonnenstrahlen sind in den Baumwipfeln erkennbar. Der Sturm hat sich gelegt und der Wald gleicht einer idyllischen Oase, in der nichts mehr an das nächtliche Treiben erinnert. Kaum zu glauben, dass diese Idylle im Sommer 2018 von einem verheerenden Brand heimgesucht wurde. Was ich im Traum erlebte, wurde für die wenigen Menschen in dieser Region zur Realität. Sie mussten am eigenen Leib miterleben, was die Flammen anrichten können. Riesige Waldflächen standen ganz in der Nähe südlich von Sveg in Flammen. Dörfer mussten wegen der unkontrollierbaren Brände evakuiert werden. Viele Wochenend- und Ferienhäuser fielen den Flammen zum Opfer.

Doch die Natur weiß mit solchen Katastrophen umzugehen. Die abgebrannten Waldflächen bieten die Basis für neues Leben. Das wussten bereits die finnischen Einsiedler, die im 16. und 17 Jahrhundert nach Schweden kamen. Sie suchten genau diese endlos weiten Wälder in Mittelschweden und ließen sich mitten in der Einsamkeit nieder, vollständig umgeben von einem schwarzen Meer aus Nadelbäumen. Die Einwanderer verwandelten den Wald innerhalb von zwei Jahren zu fruchtbarem Ackerland. Fichten wurden großflächig gefällt. Nachdem die Stämme über zwei Jahre trockneten, wurden sie abgebrannt. In die Asche säten die Siedler einen speziellen Roggen aus, den svedjerågen. Es war eine in Schweden bisher unbekannte Art, den Wald zu fruchtbarem Ackerland umzuformen. Die Schweden hießen ihre finnischen Nachbarn wärmstens willkommen, denn sie machten nicht nur die undurchdringbaren Wälder nutzbar, sondern sorgten für zusätzliche Steuereinnahmen.

Heute erinnern nur noch lustige Ortsnamen wie Noppikoski, Hukkamäki und Pilkalampinoppi an die Vergangenheit dieser skogsfinnar (=Waldfinnen). Die Siedlungen, die viele Kilometer voneinander entfernt lagen, wurden nach der ursprünglichen Heimat der Einwanderer benannt.

Totholz im Eis | © Johannes Hansen

Tipp zum Weiterlesen (schwedisch):

Finnmark erleben:

Von Mora geht es auf der 26 weiter nach Vansbro, wo wir einen Zwischenstopp einlegen. Unser Ziel war das Bumerang – ein kleiner Secondhandshop, der nicht unbedingt durch Größe, aber durch unschlagbare Preise und Vielfalt beeindruckt. Genau das richtige für einen verregneten Tag wie heute. In jedem Regal warteten echte Schätze auf einen neuen Besitzer. Das Durchstöbern von Secondhandshops in Schweden hat sich für uns zu einem neuen Hobby entwickelt. Man findet immer etwas, egal ob nützlich oder nicht.

Errungenschaften aus dem Bumerang-Secondhand | © Christine Riel

Beflügelt von unserem erfolgreichen Kauferlebnis machen wir uns wieder auf den Weg. Die Mägen knurren unüberhörbar, doch an Rastplätzen mangelt es in dieser Region und so landen wir nach knapp 55 Kilometer an der Kirche von Rämmen, die idyllisch auf einer kleinen Landzunge im See Näsrämmen thront. Der eigentliche Ort liegt am Westufer des Gewässers und erlangte Berühmtheit, als der schwedische Lyriker Esaias Tegnér um 1800 als Hauslehrer im Ort tätig war. Hier entstand sein patriotisches Gedicht „Svea“. Das Werk wurde von der Schwedischen Akademie mit dem stora pris (=großer Preis) geehrt. Tegnér galt fortan als einer der besten Dichter des Landes.

Sehenswert in Rämmen:

Weiter geht’s auf dem Inlandsvägen | © Johannes Hansen

Gestärkt und vollgepumpt mit Kaffee beginnt die letzte Tagesetappe. Der ereignisreiche Tag neigt sich dem Ende entgegen, aber wir müssen einiges an Strecke aufholen, denn die Fähre nach Deutschland verlässt schon übermorgen den Hafen in Trelleborg. So fahren wir die nächsten 180 Kilometer durch bis zum Rastplatz Sandbäcken, der direkt bei Mariestad liegt. Der Abend geht gemütlich mit einer Partie Die Burgen von Burgund zu Ende.

In Teil 4: Von Sandbäcken über Gislaved und Halmstad nach Trelleborg

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