Unterwegs auf dem Inlandsvägen – Teil 4

Es ist die letzte Etappe auf dem Inlandsvägen, die uns bevor steht. Innerhalb von vier Tagen konnten wir beobachten, wie sich das Land verändert. Heute kommen wir noch einmal in den Genuss vergangener Zeiten. Wir lernen einen Schweden kennen, der ein großes Herz für Kinder hatte. Schnell finden wir zurück in die Gegenwart, in der wir dem schwedischen Grundvertrauen in den Staat begegnen.

Von Sandbäcken über Gislaved und Halmstad nach Trelleborg

Kaum zu glauben, dass wir uns auf dem Rastplatz Sandbäcken an der E20 befinden. In dieser Nacht spüren wir eine besondere Magie. Sie zeigt sich uns durch das Rascheln der Blätter im Wind und die zarten Klänge der Natur. Keine Verkehrsgeräusche stören die nächtliche Ruhe, obwohl wir unmittelbar neben der Autobahn rasten. Die Dämmerung hüllt den Horizont in einen Schleier aus blauen und orangefarbenen Bändern. Unsere Ohren vernehmen den Balzruf eines Waldkauzes, der sein Revier im angrenzenden Wald besitzt. Huh-Huhuhu-Huuuh…

Zum Sonnenaufgang beginnen Singvögel mit ihrer melodiösen Vorstellung. Seit Ewigkeiten haben wir kein Vogelgezwitscher mehr gehört. Eine Lebendigkeit durchströmt Körper und Geist. Frühlingsgefühle machen sich breit und wir genießen die wohlige Wärme beim Frühstück mit Blick in den sonnendurchfluteten Wald. Man kann die ruhige und ländliche Atmosphäre förmlich spüren, die vor einem halben Jahrhundert hier an diesem Platz herrschte.

Mitten auf dem Rastplatz, wo heute Picknickbänke und Tische stehen, lag einst ein alter Hof. Dass hier bis in die 60er Jahre Viehzucht betrieben wurde, kann man noch heute sehen. Dort, wo in der Vergangenheit ein Kuhstall stand, haben sich massig Brennnesseln ausgebreitet. Sie sind stumme Zeugen einer übermäßigen Stickstoffanreicherung im Boden. Der Bau der Autobahn bedeutete das Ende des Anwesens Sandbacken. Ein Rastplatz entstand und heißt bis heute Reisende willkommen. Nur der Name ist geblieben, doch die meisten Rastenden wissen wohl nichts über das vergangene Treiben an diesem Ort.

Rastplatz Sandbäcken | © Johannes Hansen

Schon bald wird unsere Einsamkeit durch die ersten Rastenden gestört und wir sind zurück in der Gegenwart. Zeit zum Aufbruch.

Dorf in der Region Västergötland | © Johannes Hansen

Erkundungstour um Sandbäcken:

Wir fahren ein kurzes Stück auf der E20 Richtung Süden, bevor es wieder auf die 26 geht. Nicht nur die sommerlichen Temperaturen erinnern uns daran, dass wir Deutschland näher kommen. Der Verkehr wird dichter und auch die Landschaft durchläuft einen Wandel vom undurchdringlichen Wald zum offenen Kulturland. Südschweden erinnert stark an Norddeutschland. Nur die Höfe und Ansiedlungen mit ihren rot, gelb oder grün bemalten Holzhäusern zeugen davon, dass wir uns noch immer in Schweden befinden.

Kulturland in Südschweden | © Johannes Hansen

Hin und wieder benötigen sowohl Auto als auch Insassen Nahrung für die Weiterfahrt. Glücklicherweise mangelt es in dieser Region nicht mehr an Tankstellen. Am Kreisverkehr bei Mullsjö entdecken wir die perfekte Gelegenheit, um alle Beteiligten glücklich zu machen: eine günstige ST1-Tankstelle und die VIP-Butik, deren Regale (oder Kartonstapel) prall gefüllt mit Süßigkeiten sind. Schokolade in Großpackungen, Lakritz in verführerischen Variationen und natürlich die allseits beliebten Selbstbedienungs-Süßigkeiten gibt es hier zu einem spektakulären Preis.

Südschwedische Idylle | © Johannes Hansen

Unser nächstes Ziel lautet Gislaved, denn trotz Urlaub stehen Behördengänge an, die ansonsten nur mit viel Aufwand zu bewältigen sind. Die Pflicht ist beim skatteverket, dem schwedischen Finanzamt, schnell erledigt. Was uns in Deutschland großen Respekt einflößte, ist hier keine große Sache. Staat und Bürger haben ein freundschaftliches Verhältnis zueinander und vertrauen sich gegenseitig. Genau das ist das Geheimnis, warum in Schweden vieles auf reiner Vertrauensbasis und ohne Kontrolle funktioniert. Der Staat steht für Sicherheit und Geborgenheit und genau diese Werte symbolisiert die schwedische Tante (den svenska tanten). Die Bronzestatue steht lebensgroß auf dem Marktplatz in Gislaved. Sie lächelt zufrieden und steht mit beiden Beinen fest im Leben. Ihre Hände halten sich vor dem Körper und an ihrem rechten Arm hängt eine Handtasche, die eine besondere Symbolkraft ausstrahlt. Sie steht für Zuverlässigkeit. Die schwedische Tante ist ein Sinnbild für das Einfache und Bodenständige, aber auch für Frieden, Mut und Zivilcourage.

Stortorget in Gislaved mit „Den svenska Tanten“ | © Johannes Hansen

Bevor unsere Fahrt weiter geht, machen wir einen Abstecher zum Dalenparken, durch den einer der längsten Flüsse Südschwedens fließt. Der 200 Kilometer lange Nissan schlängelt sich mit unzähligen Mäandern durch das Land und bietet durch seine natürliche Form wertvolle Lebensräume.

Erkundungstouren durch Gislaved:

Dalenparken in Gislaved | © Christine Riel

Je mehr wir uns der Westküste nähern, desto unbeständiger wird das Wetter. Kurz vor Halmstad erwartet uns eine Schlechtwetterfront. Schlagartig verdunkelt sich die Sonne und eine dicke Nebelwolke beeinträchtigt die Sicht. Wir entscheiden uns für eine kurze Pause in der Stadt und hoffen auf bessere Sichtverhältnisse nach einer Shoppingtour im Secondhandshop Erikshjälpen, dessen Geschichte bis in die 20er Jahre zurückreicht.

1929 wurde Erik Nilsson in Småland geboren, doch er litt an der Bluterkrankheit und verbrachte die meiste Zeit seines Lebens im Krankenhaus. Er lernte während dieser Zeit viele Kinder kennen, die einsam waren. Erik begann, kleine Geschenke und Kärtchen an kranke Kinder in den schwedischen Krankenhäusern zu schicken. Sein Engagement beeindruckte die Menschen und führte zur Gründung des Secondhandshops, dessen Einnahmen durch Verkäufe an Projekte zur Unterstützung von Kindern auf der ganzen Welt geht.

Nebel über Halmstad | © Johannes Hansen

Leider finden wir dieses Mal keine Schätze. Unsere Reise auf dem Inlandsvägen geht in Halmstadt zu Ende. Wir fahren bei bedecktem Wetter weiter bis nach Trelleborg, denn von hier startet morgen in aller Frühe die Fähre nach Deutschland. Wir verbringen zwei Wochen bei Familie und Freunden, bevor es wieder zurück in den hohen Norden geht.

Auf der Heimreise fahren wir von Trelleborg in Richtung Ostküste, die uns bis nach Skellefteå führt.

1 Kommentar zu „Unterwegs auf dem Inlandsvägen – Teil 4

  1. Sehr schöne Berichte Tine! Gute Fahrt für den Rest des Weges!
    Lg Sonja

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