Eigentlich machte das Wetter keine Hoffnung auf Hikingtouren, doch heute scheint uns Thor wohlgesonnen. Warme Sonnenstrahlen heizen unser mobiles Heim auf. Dieser Tag gleicht nicht den Tagen der letzten Woche. Der Himmel wirkt nicht mehr bedrohlich sondern sanftmütig und vollkommen entspannt. Es ist der perfekte Tag für eine ausgiebige Wanderung und glücklicherweise befinden wir uns genau am richtigen Ort.
Moorlilienwiesen
Wir beginnen unsere Tour am Naturrastplatz unterhalb des Brakkfjället. Die ersten Meter gehen steil hinauf in Richtung Berggipfel. Nach wenigen Metern offenbart sich ein Berghang mit unzähligen gelben Farbtupfern. Ein genauerer Blick verrät uns, dass es sich um die Gelbe Moorlilie handelt. Dieses Vorkommen inmitten der Gebirgslandschaft Nordschwedens ist schon eine kleine Sensation, denn eigentlich benötigt dieses zierliche Gewächs ein atlantisches Klima. Die zierlichen Gewächse zwingen uns im wahrsten Sinne des Wortes in die Knie. Nach einer gefühlten Ewigkeit und unzähligen Schnappschüssen stapfen wir weiter den Berghang hinauf. Doch die roten Holzkreuze, die uns eigentlich den Weg weisen sollten, verschwinden nach wenigen Metern. Sind wir gezwungen die letzten 6,5 Kilometer per GPS zu wandern?


Auf dem Berggipfel angekommen, eröffnet sich uns ein dramatischer Panoramablick über dieses schöne Fleckchen Erde. Wir beobachten einige Wanderer, die ohne Ziel am Hang herumklettern und sich schließlich wieder dem Abstieg widmen. Wir drehen ihnen den Rücken zu und kämpfen uns durch Blaubeersträucher in Richtung Einsamkeit. Wieder geht es in Richtung der norwegischen Grenze, was in der veränderten Form der Berge ersichtlich wird. Glücklicherweise zeigen sich die roten Wegmarkierungen im fernen Tal, sodass wir die Wanderung entspannt fortsetzen können.


Seltsame Funde am Silesjaure
Eigentlich ist der markierte Pfad für Schneeskooter ausgelegt. Doch das Gelände erlaubt eine Wanderung, die wir trockenen Fußes durchleben. Immer wieder begegnen wir alten Bekannten aus Abisko. Die Rede ist nicht etwa von Arbeitskollegen, denn hier treffen wir weit und breit auf keine Menschenseele. Vielmehr sind es die stillen Lebewesen auf dem Pfad, die sich unter harschen Bedingungen behaupten.


Nach sieben ziemlich wortlosen Kilometern erreichen wir den Gebirgssee Silesjaure, der zur Hälfte in Norwegen und zur anderen Hälfte in Schweden liegt. Man könnte denken, das wir hier einen Platz inmitten der Einsamkeit gefunden haben. Doch Kochutensilien, verlassene Zelte und ein Thermoschrank mit Lebensmittelvorräten deuten auf das Gegenteil hin. Es ist ein Ort, der uns Rätsel aufgibt. Wir versuchen Erklärungen zu finden, werden aber nicht schlauer. Die Sonne nähert sich langsam dem Horizont und wir machen uns auf den Rückweg mit dem Glauben, dass die Siedlung von Jägern genutzt wird. Während wir erneut Berge erklimmen und Täler durchwandern, erfahren wir den tatsächlichen Grund für diesen merkwürdigen Fund: eine Gruppe von Reitern tippelt einen Berghang hinab mit direktem Kurs auf den Zeltplatz.


Auf dem gesamten Rückweg werden wir von der Sonne begleitet, allerdings in umgekehrter Weise. Sie bewegt sich entgegen unserer Laufrichtung und sendet die letzten warmen Strahlen auf die Erde. Der Blick nach vorne versetzt uns in eine leichte Aufregung. Ähnlich einer Welle, die sich in Richtung Küste immer weiter aufwölbt, so blasen sich dunkle Regenwolken am Himmel auf. Sie bewegen sich extrem langsam und scheinen für Stunden am selben Ort festzustecken. Doch von einer auf die andere Sekunde sind wir plötzlich mitten drin in der Schlechtwetterfront. Ein Regenguss prasselt erbarmungslos vom Himmel herab, sodass wir völlig durchnässt am Wohnmobil ankommen.


Zu Gast bei den Nordmännern
Die Tour neigt sich dem Ende entgegen und wir verlassen die atemberaubende Gebirgswelt. Ein letztes Mal begeben wir uns auf eine Zeitreise, bei der wir auf die Wikinger treffen. Sie lebten einst in Hoting. Knortmon ist das Gebiet mit der wohl größten Ansammlung von Fanggruben in Nordschweden. Noch heute sind die Gruben sichtbar. Der idyllische Pfad schlängelt sich durch den Wald entlang des Seeufers und über kleine Dämme. Ein nachgebautes Wikingerhaus erweckt die Fantasie zum Leben und plötzlich sind wir mitten drin in einem feuchtfröhlichen Fest am wärmenden Feuer. Es ist ein wahrhaft gelungener Abschluss einer ereignisreichen Tour – wenn auch nur in der Gedankenwelt.


