Gesüßte Brote drängen sich im Supermarktregal dicht aneinander und kaum einer kann an den weichen und kreisrunden Brotscheiben vorbei gehen. Bestrichen mit gesalzener Butter und belegt mit schwedischem Hartkäse oder herzhafter Moltebeerenmarmelade – und die Erinnerungen an den letzten Schwedenurlaub sind wieder da. Den gesüßten Teig gibt es in den Varianten Rågkaka oder Vetekaka. Doch eigentlich sah das Brot einmal ganz anders aus…
Schwedisches Brötchensortiment – typisch Wikinger | © Christine Riel
Die Anfänge des schwedischen Brotes
Während Gerstenkorn im Süden eher als Pferdefutter angesehen wird, galt es in ganz Schweden als wichtiger Rohstoff. Dass Roggen und Weizen nur im äußersten Südschweden gedeiht, ist klimatisch bedingt. Bereits unterhalb von Stockholm sind die Sommer so kurz, dass der Roggen nicht zur Vollendung reifen kann. Hafer und Gerste wachsen dagegen prächtig. Das Korn konnte klein gemahlen und zu Teig verarbeitet werden. Dünn ausgerollt und knusprig gebacken entstand eine Art Brot: das tunnbröd (=Dünnbrot)
Schwedisches Tunnbröd | © Christine Riel
Roggen erobert Schweden
Im 15. Jahrhundert veränderte sich die Brottradition. Zahlreiche Mühlen schossen in Dänemark, auf Gotland und Öland aus dem Boden. In Schweden prägte die horizontale Wassermühle vielerorts das Landschaftsbild. Doch diese Modelle konnten im Großteil des Landes nicht ganzjährig sondern nur in der kurzen Sommerperiode betrieben werden. Man war weiterhin gezwungen, Brote mit einer langen Haltbarkeit zu backen. Der Teig wurde wie gewohnt möglichst dünn gebacken. Man trocknete es zusätzlich, um die Haltbarkeit zu erhöhen und so entstand die Knäckebrottradition. Um es während des langen schwedischen Winters von hungrigen Tieren fernzuhalten, wurde es in der Mitte durchlöchert und aufgehangen.
Knäckebrot ist erst dann perfekt, wenn es nicht nachgibt. Beim Abbrechen eines Stücks muss es so laut knacken, als würde man mit der Ferse eine Walnuss zertreten. Das Erfolgsgeheimnis liegt nicht etwa im Teig sondern im Holzofen. Knäckebrot wurde früher nach dem Frühstück gebacken, sobald der Ofen auf Temperaturen gekommen ist.Nach dem Mittagessen ließ die Hitze langsam nach, sodass das Tunnbröd gebacken werden konnte.
Außerdem gewann das Roggenmehl zunehmend an Bekanntheit. Man probierte diese bisher eher unbekannte Mehlsorte aus und entdecke ganz nebenbei die Brotkruste, welche den Laib haltbarer machte. Es war die Geburtsstunde des kavringen – ein dunkles und kompaktes Brot aus Roggenmehl.
Brot im Kerzenschein | © Christine Riel
Die süße Industrialisierung
Es dauerte nicht lange, bis eine revolutionierende Entdeckung auch Schweden eroberte: der Sauerteig. Der übrig gebliebene Teig wurde für einige Tage eingelagert, sodass Gärprozesse entstanden. Die Blasen sorgten dafür, dass der Teig aus Weizenmehl aufging. Es war ein völlig neues Broterlebnis. Doch im 19. Jahrhundert gelangte der Prozess des Brotbackens langsam in die Industrie. Die Brotherstellung war nun nicht mehr ein Handwerk, das Liebe und Zeit erforderte. Brot musste schnell erzeugt werden, um den stetig wachsenden Hunger zu stillen. Im Zuge dieser Entwicklung wurde der Teig immer geschmackloser und ähnelte in seiner Konsistenz eher einer Bisquitmasse. Das Brot verlor seine Kruste, die in der traditionellen Backkunst so geschätzt wurde. Und mit der Zeit entdecken die Schweden einen wirkungsvollen Geschmackszusatz: Zucker.
Was die Industrie hervorbrachte:
- Hönökaka: Vorgänger der beliebten Rågkaka und Vetekaka
- Jättefranska: das erste Toastbrot Schwedens
- Lantgrova: gesüßtes Sauerteigbrot aus Roggenmehl mit Beeren
Edebobrot | © Johannes Hansen
Und heute?
Nachdem sich das in den 90er Jahren auf den Markt gebrachte Landbrot Lantgrova nicht besonders gut verkaufte, gaben die Hersteller dem Produkt noch eine weitere Chance – mit Erfolg. Die Neuauflage LingonGrova war zu Beginn des 21. Jahrhunderts das am meisten verkaufte Brot in Schweden. Der Mix aus herben Preiselbeeren in einem Roggen-Sauerteigbrot und Sirup ist allerdings äußerst eigenwillig.
Die Schweden bleiben ihren Traditionen treu. Heute haben 85 Prozent aller schwedischen Haushalte Knäckebrot in ihrer skafferie (=Speisekammer). Jedes Jahr vertilgen die Schweden pro Jahr und Person vier Kilogramm. Jede Mahlzeit beginnt mit einem guten Knäckebrot garniert mit gesalzener Butter. Ein Stück Hartkäse macht das Glück perfekt. Sobald im Knäckebrotregal gähnende Leere herrscht, fühlt sich der Schwede unvollständig.
Tunnbröd ist immer noch ein beliebtes Nahrungsmittel, von welchem es mittlerweile verschiedene Varianten gibt. Neben der knäckebrotartigen Form existiert eine weichere Variante, die als mjukt tunnbröd (= weiches Dünnbrot) vermarktet wird. Es erinnert an einen Wrap und kann auf ähnliche Weise befüllt und zusammengerollt werden.
Gefülltes Tunnbröd | © Johannes Hansen
Brotkultur im Hause Edebo
Und wir? Wir nehmen uns ein Beispiel an den schwedischen Traditionen und backen unser Brot selbst – natürlich aus Sauerteig und stilgemäß im holzbefeuerten Ofen. Wenn man die Geschichte betrachtet, so ist das Brotbacken mit Sauerteig gar keine typisch deutsche Eigenart. Allerdings machen das kaum Schweden und so dürfen sich die Deutschen in großer Bewunderung baden, wenn sie ein frisches selbst gebackenes Sauerteigbrot servieren.