Dieses mysteriöse Glückselixier

Mal ehrlich: Wer kann von sich behaupten, vollkommen zufrieden mit dem eigenen Leben zu sein? Wer suhlt sich täglich mit einem Glas Champagner in der Badewanne, die mit kleeblattähnlichen Blubberblasen gefüllt ist und denkt sich: Meine Fresse, bin ich heute wieder glücklich? Eine derartige Situation klingt zu traumhaft, um wahr zu sein. Doch genau darum geht es heute – um Träume und das ganz große Glück.

Ich erinnere mich oft an mein altes Leben in Deutschland zurück und denke daran, wie sich die einzelnen Momente anfühlten. Es ist wie eine Tragödie, deren Katastrophe mit dem Ins-Leben-treten des Hauptdarstellers einsetzte. Obwohl die Kulisse dieses Schauspiels einem kontinuierlichen Bildwechsel unterlag, erfolgte es stets in einer sich aufblähenden Blase aus depressivem Gedankengut. Das Erfüllen von erwarteten Leistungen und das Streben nach Perfektion verstümmelten eine äußerst sensible Persönlichkeit, die sich nicht in ihrer eigentlichen Welt bewegen durfte. Danke Universum. Für ein Dasein, dass dem Ansehen eines Pfandsammlers gleicht. Unverstanden und nicht wertgeschätzt.

All diese Faktoren erweckten eine rastlose Umtriebigkeit, die sich nicht nur als Suche nach dem Wahrhaften entpuppte. Sie stellte gleichzeitig einen Ausbruch aus diesem Fleischwolf dar, der eine fleischige Masse aus Individuen unter großem Kraftaufwand in ähnlich geformte Würste presst. Heraus kommen Formen, die sich selbst verloren haben. Um einen Facettenreichtum zu erkennen, sind Adleraugen unabdingbar. Wer unter Sehkraftverlust leidet, benötigt mindestens eine Lupe mit 20-facher Vergrößerung.

Ausbrüche sind der stumme Schrei nach Veränderung. Stumm, da sie keiner klaren Entscheidung folgen und eher ein unsicheres Tasten einer Hand hinter dem Schrank darstellen, die nach dem verlorenen Pfennig sucht. Es war der Glückspfennig. Er darf nicht im Staub der letzten zehn Jahre verschwinden. Tief im Inneren scheint es das Bewusstsein zu ahnen: Die ganz großen Träume gehen so wohl nicht in Erfüllung. Der Jackpot sei mit Wehmut dem Glücklichen gegönnt, der ein besseres Händchen für Wagemut besitzt. Ich bleibe lieber Pfennigfuchser und Pfandsammler. Kleinvieh macht auch große Haufen und zwölf Dosen ergeben am Ende des Tages einen Döner. Doch warum nicht einfach mal groß träumen von einem ganz anderen Leben, das sich als perfekt erweist? Oder noch besser: Warum nicht einfach mal machen, anstatt zu träumen, zu überlegen und wieder zu verwerfen?

Ich gebe zu, das Umsetzen großer Träume ist nicht so einfach. Wir denken zu viel, lassen uns von dem kleinen wütenden Angstdämon leiten, der sich in unseren Gehirnen eingenistet hat. Auch wenn dieser furchtbare Weggefährte seine Daseinsberechtigung hat (ohne würde weder ich hier sitzen und diese Worte tippen, noch könntest du meine Philosophien lesen, denn unsere Vorfahren wären ohne durch die Angst geschärften Sinne längst von Bären, Wölfen und anderem Getier verspeist worden), so sollten wir ihn des Öfteren wüten lassen, zur Kenntnis nehmen und ihn wieder zur Ruhe schicken.

Wäre ich nicht meinem Instinkt gefolgt und hätte stattdessen auf meinen Dämon gehört, wäre mein Leben weiterhin nur ein winziger Tropfen im Fluss der depressiven Massengesellschaft. Ich habe ihn ignoriert und stattdessen der Sehnsucht nach dem ganz großen Traum eine Stimme verliehen. Sie hat mich hergeführt in dieses zugegebenermaßen unsichere Abenteuer. Hier lebe ich in Zweisamkeit mit meinem liebenswürdigen Angstmonster. Mal schreit es auf und zieht mit allen Mitteln die Aufmerksamkeit auf sich, sodass ich mich seiner negativen Kraft machtlos ergeben fühle. Zweifel kommen hoch und Fragen plagen mich, ob sich das Greifen nach den Träumen nicht doch zu einem Griff ins Klo entwickelt hat. Aber dann werde ich mir dieser Dynamik bewusst und gebe diesem übertrieben handelnden Tier ein paar Spritzer meines selbst gebrauten Glückselixiers. Die Wirkung setzt nicht sofort ein und so muss ich mich in der Geduld üben, bis sich die tosende Brandung in ein angenehmes Meeresrauschen verwandelt hat, doch am Ende lohnt es sich. In Augenblicken der Ruhe erkenne ich: Das Leben meiner Träume ist in Erfüllung gegangen.

Gelegentlich habe ich von diesem mysteriösen Trunk berichtet und dem neugierigen Leser mag sich die Frage in den Sinn drängen, aus welchen Zutaten dieser Cocktail denn nun besteht. Die Definition des Glücks ist so unbegreiflich wie die Endlosigkeit des Universums und jeder ist auf der Suche nach diesem einen Gefühl, welches möglicherweise den Sinn des ganzen Lebens erklärt. Ich habe meinen Glückscocktail entschlüsselt und weiß, woraus er besteht. Genauso wird mit bewusst, was ihm noch fehlt. Auch wenn der Trank von einer ausgewogenen Basis profitiert, so bedarf das Aroma einer stetigen Verfeinerung. Immerhin bin ich noch immer perfektionistisch veranlagt und strebe nach der Vollendung. Dem Geschmack schaden derartige Experimente nicht, denn nur so können wir wachsen und uns weiterentwickeln. Und genau darin liegt der Schlüssel, der uns die Türen öffnet und dem Glück näher bringt: im Experimentieren, Erkennen und Reflektieren. Es ist unsere einzige Möglichkeit herauszufinden, was wir vom Leben wollen und zugleich der erste Schritt, um dieses Ziel zu priorisieren.

Ein jeder Mensch hat nicht nur die Möglichkeit in seiner Hand, seinen eigenen Drink zu mixen. Er trägt die Verantwortung und hat somit seine Glückserfüllung selbst in der Hand. Es wäre zu einfach, wenn das Glück meiner Person auf die gesamte Menschheit übertragbar wäre. Während mein Getränk einem alkoholhaltigen Perlwein gleicht, bevorzugt ein anderer möglicherweise eine ausgeprägte Hopfennote. Doch möchte ich euch mein persönliches Rezept nicht vorenthalten, sehe ich mich doch gelegentlich als Kräuterhexe an, die ihre Kochfantasien gerne der Öffentlichkeit mitteilt. Und möglicherweise geben meine Zutaten dem ein oder anderen eine Inspiration zur Selbstreflexion.

Im nächsten Beitrag verrate ich die erste Hauptzutat meines Glückelixiers und so viel sei schon jetzt verraten: Es wird flauschig!

4 Kommentare zu „Dieses mysteriöse Glückselixier

  1. Wahnsinnig tolle Bilde ❤

  2. Da bin ich aber sehr gespannt, was diese flauschige Zutat wohl sein kann? Ein wärmendes Fell? Oder ein Vierbeiner? Ich lasse mich überraschen.

    1. Das darfst du 🙂 Und wie man wahrscheinlich von mir erwarten kann: Es wird ganz anders kommen, als man denkt!

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